Mutagenese: wie entsteht eine Mutation?


Induzierte Mutationen | spontane Mutationen

Mutationen unterteilt man nach Art ihrer Entstehung in spontane und induzierte Mutationen. Spontane Mutationen geschehen auch unter "normalen" Verhältnissen mit bestimmter Wahrscheinlichkeit. Die Spontanrate ist allerdings individuell verschieden. Der Grund für diese Variation liegt in der unterschiedlichen Aktivität der DNA-Reparatursysteme (siehe weiter unten). Die Mutationsrate wird durch induzierte Mutationen weiter erhöht. Physikalische, chemische oder auch virale Mutagene induzieren Mutationen.

Die Grenze zwischen spontanen und induzierten Mutationen ist aber nicht immer einfach zu ziehen: Viele Agentien müssten nämlich eigentlich in beiden Klassen aufgeführt werden, weil eine gewisse Dosis eines Mutagens auch unter normalen Bedingungen existiert. Ultraviolette Strahlung, zum Beispiel, ist auch im Spektrum des Sonnenlichts enthalten und ist so auch an der Entstehung der "spontanen" Mutationen beteiligt.

Einen Spezialfall stellen genetisch programmierte Mutationen dar. Beispiel: Induzierte Mutationen in Genen, die für variable Anteile von Antikörpern kodieren. Das geschieht in B-Zellen, die ihre Antikörper-Gene rearrangiert haben und mit einem passenden Antigen in Kontakt kommen. Mechanismus: Aktivierung einer Cytosin-Deaminase. Biologischer Sinn: Bildung von Antikörpern mit höherer Affinität für das Antigen. Mehr über Antikörper-Gene: Repetitorium S. 26.


Induzierte Mutationen

1. Physikalische Mutagene

Ionisierende Strahlen
Ionisierende Strahlen sind energiereiche Strahlen (Röntgenstrahlen, Alpha- Beta- oder Gamma- Strahlen radioaktiver Substanzen), die einen Teil der von ihnen getroffenen Moleküle verändern. Röntgenstrahlen z.B. rufen bevorzugt Chromosomenbrüche hervor.
 

UV-Licht

UV-Bestrahlung führt zur Bildung von Dimeren aus zwei benachbarten Pyrimidin-Resten, wie weiter unten genauer beschrieben wird.

top

2. Chemische Mutagene

ENU und EMS
Ethylnitroisoharnstoff (ENU) und Ethylmethansulfonat (EMS) werden experimentell zur Mutagenese eingesetzt. ENU und EMS lösen Punktmutationen aus.
 
Colchizin
Polyploidie kann durch Zugabe von Colchizin induziert werden. Colchizin hemmt nämlich den Spindelapparat und damit die Trennung der Chromatiden bei der Zellteilung, indem es an Tubulin bindet und die Neubildung von Mikrotubuli verhindert.
 
5-Brom-Uracil
5-Bromuracil ist eine dem Thymin ähnliche Base - sie trägt ein Bromatom anstelle der Methylgruppe. Bei der Replikation wird es aber oft mit Cytosin verwechselt, so dass Guanin anstelle von Adenin in die DNA eingebaut wird. Dies ergibt schliesslich eine Basensubstitution.
 
Salpetrige Säure
Salpetrige Säure (HNO2) ist Katalysator bei diversen Umwandlungsreaktionen: So entstehen durch Abspaltung von NH3 (Desaminierung) und anschliessender Isomerisierung aus Cytosin Uracil, aus Adenin Hypoxanthin und aus Guanin Xanthin. (Formeln zeigen)

top


Lösung

Eine der beiden Cytosin-Basen im DNA-Abschnitt wird unter Einfluss von HNO2 desaminiert. Welche Folgen hat dies auf diesen DNA-Abschnitt und welche Basensequenz haben die bei der nachfolgenden Replikation entstehenden DNA-Helices?

(Tip: Uracil paart normalerweise mit Adenin)


DNA-Doppelhelix

3. Virale Mutagene

Auch Viren sind mutagen und können zu Chromosomenmutationen führen. Retroviren z.B. schreiben ihr Erbmaterial erst von RNA in DNA um und fügen diese dann in das Wirtsgenom ein.

 

Spontane Mutationen

Desaminierungen und Depurinierungen
Dass salpetrige Säure die Struktur von Basen ändern kann, wurde schon oben gezeigt. Diese Desaminierung kann aber auch spontan ablaufen, genauso wie die hydrolytische Spaltung der Zucker-Base-Bindung von Purinen (Depurinierung) (Formeln zeigen):

Pyrimidin-Dimere
Benachbarte Pyrimidin-Basen (T-T, T-C, C-C) werden durch ultraviolette Strahlung zu kovalent gebundenen Pyrimidin-Dimeren verbunden. Beispiel: Thymin-Dimer

top

Endoreplikation, Zellkernfusion und Endomitose
Polyploide Zellen entstehen entweder durch doppelte DNA-Synthese in der S-Phase des Zellzyklus (Endoreplikation), durch Fusion von Zellkernen (Zellkernfusion) oder durch DNA-Synthese unter Ausbleiben der Zell- und Kernteilung (Endomitose).

 

Non-disjunction
Wenn sich zwei homologe Chromosomen bei der Meiose nicht trennen, erhält die eine Keimzelle beide Chromosomen, die andere keines. Diese Erscheinungsform nennt man meiotische Non-disjunction. Nichttrennung von homologen Chromatiden in der Mitose (mitotische Non-disjunction) hat zur Folge, dass ein Chromosom zuviel oder zuwenig in eine somatische Zelle gelangt. Beide Kategorien von Non-disjunction führen schliesslich zur Aneuplodie: Die Zahl der Chromosomen einer Zelle weicht von 23 Chromosomenpaaren ab.

 

Tautomerien
Die in der DNA vorkommenden Basen tragen unter anderem Amino- und Ketogruppen. Sie können aber in seltenen Fällen intramolekulare Umlagerungsreaktionen erfahren und in der Imino- oder Enolform vorliegen. In diesem Fall ändern sich die Paarungseigenschaften: So paart z.B. Cytosin nicht mehr mit Guanin, sondern mit Adenin! (Formel zeigen)

 

Entsprechendes gilt für alle andern Basen, wie folgende Aufstellung zeigt:

Normale Form

Tautomere Form

A (Amino) paart mit T

A (Imino) paart mit C

C (Amino) paart mit G

C (Imino) paart mit A

G (Keto) paart mit C

G (Enol) paart mit T

T (Keto) paart mit A

T (Enol) paart mit G

top

 

zu den Übungsaufgaben


Übersicht: Mutation

 

zurück zu
Arten von Mutationen

weiter zu
Reparaturmechanismen