
Somatische Gentherapie
(Teile des Textes wurden von
http://www.unizh.ch
/upd/magazin/1-96/gentherapie.html übernommen und
modifiziert)
Ziel
- vererbte und erworbene Gendefekte durch Einschleusung von
normalen Genen in bestimmte Zielzellen des Körpers definitiv
heilen. Somatische Zellen sind alle Körperzellen, die nicht
direkt an der Reproduktion eines Individuums beteiligt sind (zum
Beispiel Muskelzellen, Blutzellen, Hirnzellen, Leber- und
Nierenzellen).
Limitierungen
- Die Anwendung der Gentherapie setzt die genaue Kenntnis von
Genen und Gendefekten und deren Einfluss auf normale und
pathologische Zellfunktionen voraus.
- Eine definitive Eliminierung einer Erbkrankheit für
weiter Generationen würde gentherapeutische Eingriffe in die
Keimbahn voraussetzen. Dies ist in der Schweiz verboten (Artikel
119 der neuen Bundesverfassung).
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Vorgehensweise

- In vivo: In naher Zukunft ist der weitere Fortschritt
der somatischen Gentherapie vor allem von der Entwicklung von
sicheren und leicht anwendbaren in vivo Gentransfermethoden
abhängig, welche eine effiziente und stabile Genexpression in
bestimmten Zielorganen erlauben. Grundsätzlich gibt es virale
und nicht-virale Gentransferverfahren. Virale Transfermethoden
benutzen spezielle genetisch modifizierte Viren (virale Vektoren)
als Transportvehikel für genetisches Material. Am
häufigsten werden replikationsdefiziente Retro- und
Adenoviren verwendet.
- Ex vivo: Zielzellen (zum Beispiel Lymphozyten,
hämatopoetische Stammzellen, Leberzellen) werden aus dem
Organismus isoliert, in Zellkultur mit dem gewünschten Gen
transfiziert und wieder in den Organismus reimplantiert. Durch ex
vivo Gentransfer kann ein möglicher Gentransfer in
Keimbahnzellen ausgeschlossen werden. Die Anwendbarkeit der ex
vivo Gentherapie ist auf jene Zellen beschränkt, die relativ
leicht aus dem Körper isoliert und in genügenden Mengen
gezüchtet werden können. Zudem gelingt die
Reimplantation der in vitro transfizierten Zellen in den
Körper oft nur unvollständig und/oder die Expression des
Transgens geht in vivo relativ rasch wieder verloren.
Transformation von Zellen
Effiziente und reproduzierbare Einschleusung und Expression eines
gewünschten Gens in Zielzellen.
- Mikroinjektion: Die DNA wird mit einer feinen Glasnadel
in den Kern gespritzt. Diese Methode ist sehr effizient, aber auch
sehr aufwendig.
- Zufügen der DNA als Präzipitat mit
Kalzium-Phosphat: Das Kalzium-Phosphat fördert die
DNA-Aufnahme in Zellen. Nur wenige Zellen können das fremde
Gen in ihr eigenes Genom einbauen. Bei den anderen geht das Gen
nach einigen Tagen wieder verloren.
- Elektroporation: Kurze elektrische Impulse auf Zellen
in DNA-haltigen Lösung führen zur Bildung von Poren in
der Zellmembran durch welche die DNA in die Zelle eindringen kann.
- Liposomen: Die DNA wird in Liposomen (Lipidvesikel)
verpackt, welche mit der Zellmembran verschmelzen.
- Direkter Transfer durch Mikroprojektile
("Schrotschuss"): Mit Hilfe der Kalzium-Phosphat
-Präzipitation beschichtet man die Oberfläche von
Wolfram- oder Goldpartikeln (Durchmesser 1 µm) mit einer
dünnen DNA-Schicht. Mit diesen Kügelchen "beschiesst"
man nun die Zelle.
- Virale Vektoren: Viren dringen in Zellen ein und lassen
ihr Genom von der zelleigenen Maschinerie ablesen.
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Mehr zu "Viren" finden Sie im
Kapitel "DNA-Klonierung" und im
Atelier ist ein Review-Artikel über
Gentransfer-Methoden aufgelegt ("Strategies for targeted
gene therapy").
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Therapie von Erbkrankheiten
Die Liste neu entdeckter Gendefekte wächst rasch und bietet
breite Möglichkeiten für die Gentherapie. Das eigentliche
Therapieziel ist dabei der Genersatz für das defekte oder
fehlende Gen, das heisst, das defekte Gen müsste selektiv aus
dem Genom herausgeschnitten und das normale Gen an exakt der gleichen
Stelle eingesetzt werden können. Nur ein solchermassen durch
homologe Rekombination rekonstruiertes Gen würde der normalen
Genregulation unterliegen.
- Probleme: Leider ist effizienter Genersatz durch
homologe Rekombination bis heute nur schwer möglich. Die
gegenwärtig verfügbaren Gentransfermethoden erlauben
lediglich eine Genaddition mit vorübergehender Genexpression
oder stabile Integration (aber an zufälligen Stellen des
Genoms) und Expression im Falle der retroviralen Vektoren.
- Erfolge: Die erste kausale Therapie durch Substitution
eines fehlenden oder defekten Gens wurde bei der
Adenosindeaminasemangelkrankheit durchgeführt. Bei dieser
Krankheit liegt ein genetischer Defekt der Adenosindeaminase (ADA)
vor. Der ADA-Mangel führt zu einer Akkumulation von
Deoxyadenosin, das unter anderem eine direkte toxische
Schädigung von T-Lymphozyten verursacht. In der Folge kommt
es zu einer lebensbedrohlichen Immunschwäche. Bei einigen
Patienten konnte durch wiederholte retrovirale ex vivo
Gentransfers in körpereigenen T-Lymphozyten ein deutlicher
und über länger als ein Jahr persistierender Anstieg der
ADA, eine markante Verbesserung der Immunreaktionen und ein
Rückgang von klinisch manifesten Infektionen erzielt werden.
- Wichtige Erbkrankheiten: Cystische Fibrose, auch
Mukoviszidose genannt, bei einem von rund 2500 Neugeborenen.
Muskeldystrophie, bei einem von rund 3500 Neugeborenen. Beide
Erbkrankheiten können pränatal diagnostiziert werden.
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Mehr über "pränatale Diagnostik" finden Sie im
Kapitel "Gendiagnostik".
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Therapie von erworbenen
genetischen Krankheiten
- Gentherapie für HIV: Es werden eine ganze Anzahl
verschiedener Strategien erforscht, unter anderen die spezifische
Hemmung viraler Eiweisse, die Spaltung der viralen RNA und
Impfung.
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Ein Dokument zur "Impfung gegen HIV" finden Sie im
Atelier.
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- Einsatz von anti-sense Oligonukleotiden:
Oligonukleotide, welche sich an spezifische mRNA anlagern
können, verhindern die Ablesung der mRNA und damit die
Bildung des Proteins. Mit dieser Strategie können Viren
bekämpft werden.
Originalliteratur.
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Therapie von
multifaktoriellen Krankheiten
- Gentherapie für Krebs: Unter den verschiedenen
möglichen Strategien finden sich spezifische immunologische
Eliminierung der Tumorzellen und die spezifische Hemmung von
Onkogenen. Mehr über diese
Strategien.
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Im Atelier finden Sie das Video "Gentherapie bei Krebs".
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Ausblick
- Das Konzept der somatischen Gentherapie ist zweifellos
revolutionär und wird zu einem völlig neuen
Verständnis der Therapie von Krankheiten führen.
Während mit den traditionellen Arzneimitteln abnorme
Zellfunktionen lediglich vorübergehend modifiziert werden
können, hat die somatische Gentherapie das Potential, viele
Krankheiten definitiv zu heilen.
- Bis es soweit ist, muss aber noch viel grundlegende
Entwicklungsarbeit geleistet werden. Insbesondere brauchen wir
effizientere Gentransfermethoden und die Möglichkeit des
definitiven Genersatzes durch homologe Rekombination.
- Tatsächlich ist die initiale Euphorie betreffend die
klinische Wirksamkeit der somatischen Gentherapie einer gewissen
Ernüchterung und Enttäuschung über die Resultate
der initialen klinischen Studien gewichen. Die Erwartungen waren
allzu hoch. Andererseits zeigen die initialen Studien, dass das
Prinzip der somatischen Gentherapie richtig ist.
Alternativen
Links
ins Internet
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