Gentherapie-Strategien gegen Krebs
(Teile des Textes wurden von http://www.unizh.ch
/upd/magazin/1-96/gentherapie.html übernommen und modifiziert)
- Krebs ist heute allgemein als genetische Krankheit, die mit
einer abnormen Proliferation von Zellklonen einhergeht, anerkannt.
Der hohe Proliferationsindex macht Krebszellen zu einem idealen
Ziel von retroviralen Gentransfer-Vektoren. Zudem offeriert die
komplexe Biologie von Krebszellen ein breites Spektrum von
gentherapeutischen Ansatzpunkten, die hier nur summarisch
zusammengefasst werden können. Erstens wird versucht, die
Immunabwehr von Tumorzellen durch Einschleusung von
immu-nstimulatorischen Zytokingenen (zum Beispiel IL-1beta, IL-2,
IL-4) zu erhöhen. Dazu werden Tumorzellen aus dem Patienten
isoliert, in Kultur mit immunstimulierenden Genen transfiziert
(retrovirale Vektoren) und dann dem Patienten subkutan reinjiziert
(Tumor-Vakzination). Tumorvakzinationsstudien werden vor allem bei
Melanom, Kolonkarzinom und Nierenzellkarzinom durchgeführt.
Zweitens können tumorinfiltrierende T-Lymphozyten in vitro
genetisch so verändert werden, dass sie tumorzerstörende
Faktoren (zum Beispiel tumor necrosis factor-Alpha (TNF))
sezernieren. Drittens wird versucht, die Expression von Onkogenen
zu blockieren (zum Beispiel mit Antisense-Oligonukleotiden)
und/oder die Expression von Tumorsuppressorgenen zu stimulieren.
Viertens können normale Knochenmarkzellen durch Transfektion
mit dem MDR1-Gen (MDR=Multiple Drug Resistance) vor der
Toxizität einer hochdosierten Chemotherapie geschützt
werden. Und fünftens können Toxingene in Krebszellen
eingeführt werden, die die Sensitivität der Krebszellen
gegenüber gewissen Medikamenten stark erhöhen. Bei der
Toxingen-Methode soll nicht nur der Tumor zerstört werden,
sondern auch die Zelle, die das Therapie-Gen trägt. Der
Ansatz beinhaltet drei Anleihen aus der Virologie: ein
Mäuse-Retrovirus wird als Träger für ein Gen des
Herpes Simplex Virus-1 (HSV-1), dem Thymidin Kinase (TK) Gen,
verwendet. Letzteres ist eines der wenigen Gene, gegen die heute
ein antivirales Medikament existiert: das Cyclovir, genauer das
Gancyclovir (GAC). GAC interagiert mit der TK und wird zu
toxischen Triphosphaten umgesetzt. Diese wiederum hemmen die
DNA-Synthese in sich teilenden Zellen. Um möglichst viel
TK-Genprodukt zu produzieren, wird das TK-Gen vor einen besonders
effizienten Promoter geschaltet, den des Cytomegalo-Virus (CMV).
Der Retrovirusvektor besteht also letztlich aus drei viralen
Komponenten, den zwei LTRs (Long Terminal Repeats), die aus dem
zuerst zugelassenen, bereits hoffähig gewordenen Retrovirus
LTR-neo-LTR, LNL, stammen und das Neo-Resistenzgen tragen.
Weiterhin beinhaltet der Vektor den CMV Promotor, der das TK Gen
des Herpes Simplex Virus (HS-TK) reguliert. Dieses Retrovirus wird
in Retrovirusproteine verpackt. Dazu ist vor einigen Jahren eine
Mäuse-Zell-Linie entwickelt worden, die als
Verpackungszell-Linie für viele retrovirale Experimente
verwendet wird, sie heisst PA317. Das von dieser
Verpackungszell-Linie produzierte Retrovirus ist ein Pseudovirus,
denn es ist defekt. Es kann nur ein einziges Mal eine neue Zelle
infizieren, diese aber nicht mehr verlassen. Mittels solcher
defekter Viren werden die gewünschten Therapiegene in eine
Zielzelle eingebracht, ohne dass diese neue Viruspartikel
produzieren kann. So gelangt das TK-Gen in eine neue Zelle. Bringt
man die Verpackungszell-Linie in die Nähe einer Tumorzelle,
so ist zu erwarten, dass das Virus diese Tumorzelle infiziert.
Gibt man jetzt dem Patienten das GAC, so entsteht sowohl in der
Verpackungszelle wie auch in den neu infizierten Tumorzellen das
giftige Abbauprodukt. Beide Zellen gehen auf diese Weise durch die
GAC-Behandlung zugrunde. Man hat, wenn alles richtig verlaufen
ist, sowohl die Tumorzelle wie auch die zur Therapie verwendete
Verpackungszell-Linie vernichtet und die Therapie beendet.