Spezialfall "Hochfrequenz"-Analgesie

Die höherfrequente, TENS-ähnliche Akupunkturanalgesie basiert auf anderen neurophysiologischen Grundlagen als die üblicherweise mit niedrigeren Stimulationsfrequenzen durchgeführte Akupunkturanalgesie. Darauf weist bereits die unterschiedliche klinische Wirkung dieser beiden Methoden hin:
Die niederfrequente Stimulation (im Bereich von wenigen Hertz) bewirkt vorwiegend eine generalisierte Analgesie. Diese ist charakterisiert durch einen verzögerten Wirkungsbeginn und die Persistenz der Wirkung für eine gewisse Zeit über die Akupunkturbehandlung hinaus Lit 98.
Im Gegensatz dazu führt die höherfrequente Stimulation (im Bereich von bis zu mehreren hundert Hertz) zu einer vorwiegend segmental ausgeprägten Analgesie, welche rasch nach Stimulationsbeginn eintritt, die Behandlungsperiode jedoch kaum überdauert Lit 103.

Diese Befunde legen die Annahme nahe, dass die durch höherfrequente bzw. niederfrequente Stimulation ausgelöste Analgesie durch unterschiedliche Mechanismen vermittelt werden.

Ganz kurz beschrieben gilt für den Wirkungsmechanismus der "Hochfrequenzanalgesie" folgende Hypothese:
Durch höherfrequente Stimulation werden Aktionspotentiale hauptsächlich in unmyelinisierten afferenten Nervenfasern (Typ C resp. Gruppe IV) (vgl. Info 5) ausgelöst und zum Zentralnervensystem geleitet. Im Rückenmark sind wahrscheinlich bereits ausgeprägt segmentale antinozizeptive Mechanismen wirksam Lit 102. Dennoch sind supraspinale Strukturen auch für die "Hochfrequenzanalgesie" von Bedeutung Lit 38. Hierbei nimmt die aus dem periaquäduktlen Grau und den Raphe-Kernen gebildete funktionelle Einheit wiederum eine Schlüsselstellung ein Lit 38. Strukturen des Vorderhirns, wie z.B. der ncl. arcuatus hypothalami, sind hingegen kaum von Bedeutung Lit 66. Denn eine vollständige Ablation des Vorderhirns bei Tieren beeinflusst die analgetische Wirkung der "Hochfrequenzanalgesie" nicht Lit 38.
Die durch höherfrequente Stimulation augelöste Analgesie kann nur mit einem Vielfachen der für die "Niederfrequenzanalgesie" üblichen subkutanen Dosis von Naloxon (0.5mg/kg vs. 20mg/kg Körpergewicht) antagonisiert werden. Dies lässt die Hypothese zu, dass nicht die endogenen Opioide beta-Endorphin oder Enkephalin (resp. mü- oder delta-Rezeptoren, sondern hauptsächlich kappa-Rezeptoren und entsprechend Dynorphine an der Vermittlung der analgetischen Wirkung beteiligt sind. Dies wird durch entsprechende Untersuchungen mit spezifischen Antikörpern bestätigt Lit 38. Neben Dynorphin sind offenbar auch die Monoamine Noradrenalin und Serotonin wichtig Lit 98.